BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION IN DER REPUBLIK ÖSTERREICH
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05 August / 2019

Zum Thema der Einschränkung der Rechte der Bevölkerung der Volksrepubliken Donezk und Lugansk als Folge der von Kiew verhängten sozialwirtschaftlichen Blockade

Den inneren Konflikt im Südosten der Ukraine provozierten die Handlungen der Maidan-Machthaber, welche als Ergebnis des Staatsstreichs von 2014 erfolgten. Einer der ersten Schritte war die Entscheidung zur Aufhebung des Gesetzes der Ukraine № 5029-VI „Über die Grundlagen der staatlichen Sprachpolitik“. Laut diesem Gesetz konnte eine Sprache den Status einer Regionalsprache dort haben, wo mindestens 10% der Bevölkerung diese als ihre Muttersprache erachten. <br />
Die Bewohnet des Donbass waren gezwungen, für ihre von der Verfassung der Ukraine garantierten Rechte einzutreten, darunter auch für die sprachlichen. Als Reaktion darauf erklärte sie das offizielle Kiew zu „Terroristen“ und verkündete den Beginn der Antiterroroperation (April 2014).<br />
In den nachfolgenden Jahren errichteten die Maidan-Machthaber etappenweise eine Blockade für einzelne Regionen der Gebiete Donezk und Lugansk. <br />
Am 14. November 2014 setzte Petro Poroschenko mit dem Erlass № 875/2014 den Beschluss des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats (im weiteren NSVR) vom 4. November 2014 „Über dringliche Maßnahmen zur Stabilisierung der sozialen und wirtschaftlichen Situation in den Gebieten Donezk und Lugansk“ in Kraft. Das war der Beginn für die finanzwirtschaftliche Blockade des Donbass. Eingestellt wurden budgetäre Zahlungen, darunter auch von Pensionen, die Abwicklung von Bankgeschäften und Passagiertransporte auf dem Eisenbahnnetz der sich unter der Kontrolle der ausgerufenen Volksrepubliken Donezk und Lugansk befindlichen Territorien. Für den Erhalt der Pension mussten sich die Bewohner einzelner Bezirke der Gebiete Donezk und Lugansk (= ORDLO) auf unter der Kontrolle von Kiew stehendes Territorium begeben und sich als Aussiedler registrieren lassen.<br />
Am 25. Jänner 2017 wurde von ukrainischen radikalen Gruppen im Bereich zwischen den Stationen Swetlanowo und Schepilowo der Fracht- und Eisenbahnverkehr zwischen den unter Kontrolle Kiews stehenden Territorien und den ORDLO unterbunden. Danach wurden auch andere Verkehrsarterien gesperrt.<br />
Die ukrainischen Behörden unternahmen keine Maßnahmen zur Neutralisierung der illegalen Handlungen der Radikalen. Im Gegenteil, in Kiew ging man an deren Zügeln. Die Behörden schlossen sich der Blockade des Donbass an und verschärften sie. Durch den Beschluss des NSVR der Ukraine vom 15. März 2017 (in Kraft gesetzt durch den Erlass des Präsidenten der Ukraine vom 16. März 2017) wurde jeglicher Handelsverkehr mit dem Donbass entlang der Berührungslinie verboten.<br />
Als Folge der Blockade war die stabile Arbeit der wichtigen kritischen Infrastruktur des Donbass gefährdet. Zur Abwendung einer humanitären Katastrophe waren die Behörden der Volksrepubliken Donezk und Lugansk zur Annahme eines Entschlusses über die Einführung der externen Verwaltung in Unternehmen mit ukrainischer Jurisdiktion auf dem Territorium der Republiken gezwungen.<br />
Der Versuch der Kiewer Behörden, ihre Blockade als „Gegenreaktion“ auf die „Enteignung ukrainischen Eigentums“ zu rechtfertigen, entbehrt jeglicher Grundlage. Alles ist genau umgekehrt – gerade die Transportblockade zwang die Behörden der Volksrepubliken Donezk und Lugansk zur Übernahme der Verantwortung für die Betriebe auf dem Territorium der Region und die Schicksale der dort arbeitenden Menschen (etwa 100.000), um technogene Katastrophen wegen der Einstellung von Produktionen mit kontinuierlichem Betrieb zu verhindern. Juristisch blieb das Eigentum in den Händen der früheren Besitzer.<br />
Im April 2017 erklärte der Chef der Firma „Ukrenergo“, Wsewolod Kowaltschuk, die Einstellung der Lieferung von Elektroenergie in die außerhalb der Kontrolle Kiews liegenden Territorien des Gebiets Lugansk wegen angeblich angehäufter Schulden. In Folge wurde die Volksrepublik Lugansk mit Elektrizität aus Russland und der Volksrepublik Donezk versorgt.<br />
Die von Kiew durchgeführte Blockade entzog den Bewohnern der nicht unter der Kontrolle Kiews stehenden Gebiete faktisch die elementaren bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte, welche unter anderem vom Internationalen Pakt aus dem Jahr 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie auch durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten garantiert werden. Indem Kiew die Verbindung mit den Gebieten Donezk und Lugansk einseitig aufkündigte, machte es deren Bewohner de facto zu Menschen ohne Staatsbürgerschaft. Man hat sie von allem abgeschnitten: von der Sozialhilfe, den Pensionen, den Gehältern, dem System der gesamtnationalen Finanzierung von Bankdienstleistungen, den Fernmeldeeinrichtungen, der Bildung und dem Gesundheitswesen. Die Bewohner der Region sind faktisch auch ihrer Wahlrechte beraubt – auf ihren Gebieten wurden weder Wahlkommissionen noch Wahlsprengel organisiert.<br />
Auf die Verletzung der Rechte der Bewohner der Südostukraine weisen internationale Rechtsschutzorganisationen hin. So rief Anfang Juli dieses Jahres die NGO „Human Rights Watch“ den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, dazu auf, die „diskriminierende Politik und Praxis“ einzustellen, welche den Erhalt der Pensionen für die Bewohner der nicht der Kontrolle Kiews unterliegenden Gebiete erschweren und die Pensionisten zur ständigen Überquerung der Demarkationslinie zwingen.<br />
Die Fortsetzung der Blockade verletzt Punkt 8 des Minsker Abkommens, der die volle Wiederherstellung der wirtschaftlichen Verbindungen mit dem Donbass vorschreibt, einschließlich der Wiederaufnahme der Sozialzahlungen.<br />
Resultat des von den Maidan-Machthabern losgetretenen inneren Konflikts ist eine äußerst schwierige humanitäre Situation im Südosten der Ukraine: seine Opfer sind nach Angaben der Verwaltung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte mehr als 13.000 Getötete, bis zu 30.000 Verwundete, hunderte Vermisste. Circa 3,5 Millionen Menschen brauchen dringende humanitäre Hilfe.<br />
In mehreren Orten entlang der Berührungslinie besteht weiterhin Gefahr für die ökologische Sicherheit. Schwierig bleibt die Situation mit der Lebensmittelversorgung.<br />
Auf diese Weise kann man feststellen, dass das offizielle Kiew zielgerichtet die grundlegenden Menschenrechte bezüglich der Bewohner von einzelnen Bezirken der Gebiete Donezk und Lugansk missachtet und dabei allgemein anerkannte Normen des Völkerrechts verletzt. Dabei versucht die Ukraine auf jede Art und Weise, sich von den früher auf sich genommenen internationalen Verpflichtungen loszusagen. So informierte im Juni 2015 Kiew den UN-Generalsekretär und den Generalsekretär des Europarats über den Rücktritt von der Einhaltung seiner Verpflichtungen (so genannte Derogation) gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (unter Hinweis auf Artikel 4) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (nach Artikel 15). Unter dem Vorwand der angeblichen Unmöglichkeit, die Rechte und Freiheiten der Menschen im Zuge der „Antiterroroperation“ auf dem Territorium einzelner Bezirke der Gebiete Donezk und Lugansk garantieren zu können, hat sich die Ukraine die Hände frei gemacht für weitere Verletzungen der Rechte der Bewohner dieser Regionen. Einige Aktionen Kiews sowie auch die Tatsache der anhaltenden Derogation von Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurden von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in der Resolution 2209 (2018) und in der Empfehlung 2125 (2018) kritisiert (obwohl wir einige Bestimmungen und Einschätzungen, welche sich in den genannten Dokumenten der PACE befinden, nicht teilen, wie etwa die Anschuldigungen der „Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine“). Wir merken hier an, dass die Tatsache der Derogation kein Hindernis für die Einreichung von Klagen über die Handlungen der ukrainischen Behörden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist, der sich mit der Frage der Rechtmäßigkeit deren Abweichens von den Bestimmungen der Konvention in jedem konkreten Fall auseinandersetzen wird.<br />
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