BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION IN DER REPUBLIK ÖSTERREICH
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03 August / 2021

Interview von Botschafter Dmitrij Ljubinskij mit den "Vorarlberger Nachrichten"




„Wir sind in einer tiefen Sackgasse“

Beziehungen mit der EU haben dem Diplomaten zufolge einen Tiefpunkt erreicht.
SCHWARZACH Dass sich die Zulassung des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V in der Europäischen Union hinzieht, kann der russische Botschafter in Österreich, Dmitrij Ljubinskij, nicht nachvollziehen. Im VN-Interview ortet der Diplomat fehlenden politischen Willen, hofft aber auf eine gegenseitige Anerkennung der Impfungen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat im März erklärt, dass man bei der Beschaffung des russischen Sputnik V-Impfstoffs auf den letzten Metern sei. Seither ist nicht viel passiert. Was wurde aus den Bestellungen?
Die Bitte um mögliche Sputnik V-Lieferungen kam vom Bundeskanzler in einem Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten. Die Rede war von einer Million Dosen. Wir haben Vorbereitungsverhandlungen durchgeführt. Im Prinzip waren die Verträge schon vorbereitet. Allerdings fehlt nach wie vor die Zulassung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA. In einer anderen Frage gibt es aber Gespräche zwischen der Europäischen Union und Russland. So wurde vorgeschlagen, die Impfungen gegenseitig anzuerkennen. Ich hoffe, das wird ernsthaft diskutiert.
Es geht also darum, dass auch Sputnik-Geimpfte Reiseerleichterungen bekommen, auch wenn es keine EMA-Zulassung gibt?
Das sind unterschiedliche Dinge. In Russland ist mittlerweile fast ein Viertel der Bevölkerung geimpft. 35 Millionen Menschen haben mindestens eine Dosis erhalten. Es gibt mehrere Gründe für die Impfskepsis, wie in anderen Ländern auch. Die Zahl jener, die sich zur Impfung entscheiden, steigt aber rasch an, besonders in Moskau und in Sankt Petersburg.
Eine Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA lässt auf sich warten. Offenbar fehlt es an Daten. Warum liefert Russland diese nicht?
Ohne politischen Willen geht es nicht. Es werden von der EMA immer wieder neue Ausreden gesucht. Sputnik wird in 70 Ländern der Welt erfolgreich angewendet. Wenn es dann heißt, dass das bürokratische Prozedere der EU nicht eingehalten wird und Daten immer wieder fehlen – Ich glaube, als Botschafter muss ich das nicht weiter kommentieren.
Die EU hat Russland mit Sanktionen belegt – etwa wegen der Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny und der Annexion der Krim. Moskau antwortete mit Gegenmaßnahmen, ein Ende ist nicht in Sicht.
Die Sanktionen helfen im Prinzip niemandem. Die Beziehungen mit der EU liegen am Boden, schlimmer geht es nicht. Schon seit Jahren fragt man uns, wieso Russland nur mit einzelnen europäischen Staaten verhandelt, es gebe doch Brüssel und die EU. Wir haben aber einfach das Problem, dass der Dialog zu den allerwichtigsten Fragen fehlt, da die EU nicht bereit ist, über gemeinsame Herausforderungen zu sprechen.
Auf dem letzten EU-Gipfel gab es doch Bewegung. Deutschland und Frankreich trieben eine entsprechende Initiative voran.
Mit der EU müssen wir immer wieder den kleinsten gemeinsamen Nenner in Betracht ziehen. Einzelne Länder wie die baltischen Staaten oder auch Polen können solche Initiativen immer wieder blockieren. Wir sind in eine tiefe Sackgasse gekommen, und ein Ausweg ist nicht in Sicht. Das schadet allen, auch der Wirtschaft.
Es spiegelt sich auch in den Wirtschaftsbeziehungen wider. Im Außenhandel mit Österreich sehen wir in den letzten Jahren eine Abnahme.
Besonders das letzte Jahr war für uns alle schwierig. Die Zahlen gingen runter, nicht nur mit der EU, sondern eben auch im bilateralen Handelsaustausch mit Österreich. Aber heuer im ersten Quartal gibt es wieder einen Anstieg. Bemerkenswert ist auch, dass es bei dem generellen Rückgang überall mit Vorarlberg eine Steigerung gab.
Im Jahr 2018 besuchte eine Vorarlberger Wirtschaftsdelegation Moskau. Haben sich daraus Geschäftsbeziehungen entwickelt?
Ich bin absolut sicher, dass in den letzten drei, vier Jahren die Kontakte zwischen Russland und Vorarlberg einen ganz neuen Schwung bekommen haben. Ich spreche von Firmen wie Bertsch, Liebherr, Doppelmayr und einigen anderen. Wichtig ist gegenseitiges Vertrauen in der heutigen weltpolitischen Lage.
Könnte Österreich eine Brückenfunktion zwischen Russland und der EU einnehmen?
Wir stehen in einem sehr engen Kontakt mit Österreich. Aber ich glaube, dass Moskau in den Gesprächen mit der EU keine weiteren Vermittler braucht. Es braucht Offenheit für einen Dialog.
Das Verhältnis hat sich wegen Belarus wieder etwas eingetrübt. Warum steht Russland so kompromisslos an der Seite von Belarus?
Belarus ist ein strategischer Partner von Russland und das wird auch so bleiben.
Im Ukraine-Konflikt wird der Waffenstillstand von beiden Seiten untergraben. Warum bemüht sich Russland nicht um Deeskalation?
Was die Ukraine betrifft, kann ich nichts Neues sagen. Deutschland, Frankreich und Russland haben dazu beigetragen, dass die Minsker Vereinbarungen zustande gekommen sind, aber es passiert nichts. Es ist für die Ukraine der einfachste Weg, in allen schwierigen Fragen zu sagen, Russland ist schuld. Aber wenn man die Minsker Vereinbarungen studiert, wird man verstehen, dass ohne die Mitarbeit der Machthaber in Kiew nichts passiert.

Quelle: https://www.vn.at/politik/2021/08/03/russischer-botschafter-meint-wir-sind-in-einer-tiefen-sackgasse...