BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION IN DER REPUBLIK ÖSTERREICH
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03 Juli / 2020

Ansprache des Botschafters Dmitrij Ljubinskij bei der Präsentation des Buches "Entspannung im Kalten Krieg. Der Weg zum Moskauer Vertrag und zur KSZE"

Lieber Herr Professor Karner,

sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie heute in Namen von 2 Personen, mir selbst und dem Ständigen Vertreter Russlands bei der OSZE Alexander Lukaschewitsch, zur Präsentation des Buches „Entspannung im Kalten Krieg. Der Weg zum Moskauer Vertrag und zur KSZE“, das in Kooperation vom österreichischen Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung und der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung vorbereitet wurde, begrüßen zu dürfen.

Erstens, von der Seite der Botschaft möchte ich folgendes sagen. Mit dem Ludwig Boltzmann-Institut und seinem langjährigen Leiter Herrn Professor Karner verbindet uns schon seit auch vielen Jahren eine sehr enge Zusammenarbeit. Wir schätzen besonders das Engagement des Instituts und persönlich von Herrn Professor bei der Russisch-Österreichischen Historikerkommission, die sehr effektiv mehrere gemeinsame Projekte umsetzt und zahlreiche wissenschaftliche Konferenzen organisiert. Nur als ein Beispiel möchte ich die gelungene Publikation des gemeinsamen Lehrbuches „Russland–Österreich: Meilensteine der gemeinsamen Geschichte“ erwähnen. Zur Zeit wird das große Projekt „Diplomatische Beziehungen Russland–Österreich“, ein Sammelband von Dokumenten vom 18. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts bearbeitet.

Wir haben auch bedeutende Kooperationsvorhaben noch in diesem Jahr geplant, wie z.B. die Präsentation des Buches „1938. Der ‚Anschluss‘ im internationalen Kontext“ bei uns in der Botschaft im September oder der Geschichte-Runde Tisch im Rahmen des russisch-österreichischen gesellschaftlichen Forums „Sotschi Dialog“ in Wien im November.

Meine Damen und Herren,

Zweitens, zum Thema unseres Treffens, einige Thesen auch in Absprache mit Alexander Lukaschewitsch. Die heutige Präsentation des Buches „Entspannung im Kalten Krieg. Der Weg zum Moskauer Vertrag und zur KSZE“ ist einer sehr wichtigen und interessanten Zeitperiode gewidmet. Die Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland waren und bleiben ein gutes Beispiel der Nachkriegsversöhnung in Europa. Die Unterzeichnung vor 50 Jahren des Moskauer Vertrags am 12. August 1970 zwischen der UdSSR und der BRD bedeutet noch mehr als die äußerst wichtige Regelung der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Dadurch wurden auch die Grundlagen für die Entspannung der internationalen Lage, den Start des Helsinki-Prozesses sowie letztendlich für die Wiedervereinigung Deutschlands geschaffen.

Die Helsinki-Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 1975 war eine logische Fortsetzung von Ideen, die dem Moskauer Vertrag 1970 zugrunde gelegt worden waren. Es wurde nicht nur die Nachkriegsweltordnung unter den Bedingungen der Koexistenz von zwei streitenden Welt-Systemen im Zeitalter des Kalten Krieges geregelt, sondern auch, was noch wichtiger ist, die Vorstellung eines einheitlichen Sicherheits- und Zusammenarbeitsraums in Euroatlantik verankert.

Ende der 1980-er Anfang der 1990-er Jahren verlinkte man nach der Beendigung der Blockkonfrontation in Europa den politischen Prozess, der in Helsinki 1975 gestartet wurde, mit der Hoffnung auf die Bildung einer neuen Sicherheitsarchitektur im Euroatlantik. Man meinte dabei ein solches System der internationalen Beziehungen, das es erlaubt hätte, die Fragen des Krieges und des Friedens effektiv zu lösen, Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und die Zusammenarbeit zu fördern.

Bedauerlicherweise wurde dieser Prozess kaum vollendet. Die KSZE wurde in eine „Organisation“ umbenannt und umgestaltet, aber könnte nicht zu „europäischen VN“ entwickelt werden. Die meisten europäischen Staaten haben ihre Wahl zugunsten der NATO getroffen. Statt die Trennlinien in Europa abzuwischen, begann man die Blockgrenzen nach Osten in Richtung Russlands zu verschieben. Unser Kontinent konnte sich nicht von vielen Vorurteilen und Klischees des Kalten Krieges lösen. Mehr noch fing aufs Neue eine alarmierende Erosion der völkerrechtlichen Instrumente in der Rüstungskontrolle an.

Unter den Bedingungen der bestehenden Spannung in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen scheinen die Prinzipien und der Geist des Moskauer Vertrags 1970 und der folgenden Entspannungspolitik mehr denn je gefragt zu sein.

Wir möchten sehr damit rechnen, dass solche wichtige Mitgestalter der europäischen und internationalen Entwicklungen und verantwortungsvolle Partner Russlands in Europa wie Deutschland oder z.B. Österreich gemeinsam mit uns ernsthafte Diskussionen über die Überwindung der militärisch-politischen Spannungen in Europa wieder mindestens anzuregen versuchen.

Ich möchte der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung und persönlich Herrn Professor Karner für die Organisation der heutigen Präsentation mit Unterstützung vom Grand Hotel Wien recht herzlich danken.