Die Russisch-österreichischen Beziehungen
Obwohl die Erste Österreichische Republik vor etwa 100 Jahren ausgerufen wurde, haben die Beziehungen zwischen Moskau und Wien eine viel längere Geschichte: die ersten Kontakte sind mehr als 500 Jahre alt. Die Reise von Baron Siegmund Herberstein nach Moscovia Ende des 15.Jahrhunderts, nach der sein Schriftwerk mit Beschreibungen der Sitten und Gebräuche der Menschen und Ihrer Sprache erschienen war, hat eine interessante Rolle im Brückenbau zwischen Russland und Europa gespielt.
In der Nachkriegsperiode hat die Sowjetunion eine führende Rolle bei der Wiederherstellung der österreichischen Souveränität und Staatlichkeit gespielt. Der am 15. Mai 1955 von den vier Alliierten-Mächte unterzeichnete Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich ist seit genau 65 Jahre das wichtigste, sogar fast heilige Symbol der Freiheit für alle ÖsterreicherInnen.
Russland und Österreich pflegen seit Jahrzehnten traditionell freundschaftliche, konstruktive Beziehungen. Diese folgen einem pragmatischen Modus und sind von gegenseitigem Respekt und der Berücksichtigung der nationalen Interessen des anderen gekennzeichnet. Bilaterale politische Kontakte auf diversen Ebenen weisen eine hohe Intensität auf: zuletzt in Mai 2019 in Sotschi fand das Treffen zwischen dem Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin und dem Bundespräsidenten der Republik Österreich Alexander Van der Bellen statt.
Die politischen und vor allem wirtschaftlichen Beziehungen entwickeln sich stets nachhaltig.
Die statistischen Angaben über die Entwicklung des bilateralen Handels sind positiv: laut der Statistik Russlands, beträgt der gegenseitige Handelsvolumen im Jahre 2018 5,8 Mrd. US-Dollar, im Jahre 2019 – 6,15 Mrd. US-Dollar.
Die Investitionszusammenarbeit entwickelt sich weiterhin erfolgreich in beiden Richtungen. Gemäß der russischen Statistik belaufen die russischen Investitionen in Österreich auf ca. 26,7 Mrd. US-Dollar, die österreichischen in Russland – auf ca. 5,2 Mrd. US-Dollar. Gegen 500 österreichischen Firmen sind in Russland ständig ansässig. Insgesamt mehr als 15 Investitionsprojekte in Bereichen Maschinenbau, Holzverarbeitung, Bauwesen, Chemie, Lebensmittelindustrie, erneuerbare Energie u.v.m. werden von dem österreichischen Business in Russland realisiert.
Die Umsetzung dieser Projekte erfolgt mit tatkräftigen Unterstützung seitens der Gemischten Kommission für Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit – des Hauptgremiums für die Förderung der wirtschaftlichen Verbindungen und Lösung von eventuellen Business-Problemen, das jährlich turnusmäßig in Russland und Österreich tagt. Auch der Russisch-Österreichische Geschäftsrat, der 2017 sein 10-Jähriges Jubiläum gefeiert hat, bietet den Geschäftsleuten aus beiden Ländern die Möglichkeit für direkte informelle Kontakte.
Auch die Energiekonzerne «Gazprom» und «OMV» arbeiten eng seit mehr als 50 Jahren zusammen. Die Gaslieferungen aus unserem Land nach Österreich haben im Jahre 2019 das historisches Maximum von 14 Mrd. Kubikmeter überholt (+14 Prozent zum Rekordniveau aus dem Jahr 2018). Das Pipelineprojekt «Nord Stream 2», an dem das Konzern „OMV“ als Investor sich beteiligt, bleibt nach wie vor im Mittelpunkt des russisch-österreichischen Energiedialogs.
Ein ganz besonderes Thema ist Kunst und Kultur. Die russische Kunst (Musik, Theater, Kino, Malerei) ist in Wien und in anderen Bundesländern beinahe omnipräsent und auch österreichische Kunst und Kulturschaffende geniessen in Russland stets breite Popularität und hohes Ansehen.
Die Zusammenarbeit im geisteswissenschaftlichen Bereich ist in den letzten Jahren von einer Reihe von umfangreichen thematischen Projekten gekennzeichnet: in 2013-2015 fanden gemeinsame Kultursaisons statt, in 2017 - Tourismusjahr Russland-Österreich, in 2018 – Jahr der Musik und kultureller Routen, in 2019 – Jahr der bilateralen Jugendaustausche. 2020-21 ist als Jahr von Theater und Literatur angedacht, dessen Anfang nun auf Herbst, d.h. zu Beginn der Theatersaison, vorgesehen war. An den Korrekturen wird gearbeitet.
Das Ziel dieser Projekte ist, u.a. gegenseitige interregionale humanitäre Kontakte zu fördern und zu vertiefen. Und dadurch die regionale Zusammenarbeit sowie Jugendaustausch zu intensivieren.
Gerade regionale und jugendliche Komponente sind essenzielle Bestandteile des russisch-österreichischen gesellschaftlichen Forums „Sotschi-Dialog“ geworden. Die konstituierende Sitzung des Forums unter der Teilnahme von Präsidenten Russlands und Österreichs fand 2019 in Sotschi statt. Die Geografie der unter der Schirmherrschaft des Forums bereits stattgefundenen Großevents ist sehr breit – Moskau, Sankt-Petersburg, Sotschi, Wien, Salzburg.
Auch die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte geht weiter. Die Gemeinsame Historikerkommission funktioniert bereits seit mehr als 10 Jahre und veranstaltet jährlich interessante thematische Konferenzen und runde Tische in Wien und in Moskau. Zu den Ergebnissen ihrer Arbeit gehört das Lehrbuch „Russland-Österreich: Stationen gemeinsamer Geschichte“.